– h o t )-( s p o t –

Frühgedichte I
1980/81

©opyright Iris Hoth

 

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An verschwiegenen Tagen,
so wie diesem heute,
habe ich oft durch das Fenster
Windspiele beobachtet
und Vögeln zugesehn.

Und lehnte meine Stirn
an die kühle Scheibe,
die mein Atmen feuchtend nahm,
und wunderte mich,
daß die Kirchturmuhr schlug

zu jeder vollen Stunde.

 
 
 
 
Die Augenlider brennen mir
hinter der Frisur,
strähnengespalten der Blick –
tam taram tam tam –
müdigkeitsschwer.

Teppichflaum ins Ohr sich wölbt,
ein Strichmännchen ruft um Hilfe,
Klaviergeschrei,
tropf,
Balken bersten im Kopf.

Gruben graben Gruselbank,
und die letzte Hypothek,
Briefe vergilben im Schlafzimmerschrank,
Erinnrungen mir um den Hals gelegt.

Lippenwulst, geküßt von Zigaretten,
Traumgeschwulst, gefördert durch ein Albdruckvitamin,
Verstecken-, Fangspiel mit den netten,
kleinen Wahnsinnsphantasien.

 
 
 
 
Sängers Klage

Verflucht, was sucht mein Augenlid
über meinem rechten Knie?
Fall im Frack, und fabulös
zieh ich die Nummer ab.

Einer schrie,
papperlapapp,
durch die Ballastbalustrade:
Ihr Freiheitskämpfer frisch voran,
steigt auf die Barrikade.

Barde Klumpfuß,
Leichenschmaus,
Welt der Leckerlabsalsage,
Einkehr flugs ins Büßerhaus,
ich besinge meine Tage.

 
 
 
 
Es ist wieder einmal an der Zeit.
Straßenköter stehn an Laternenpfählen.
Das matte Licht,
aus dem sich Figuren als Schatten stehlen.

Es ist wieder so weit.
Eine Stunde Weltuntergang,
genossen im Allein.
Wir polieren die Masken auf Hochglanz,
um morgen nicht mehr frei zu sein.

Gesichtslos im Dunkeln,
Freibrief für zurückgehaltne Tränen.
Blätter munkeln.
Wer will sich in Sicherheit wähnen?

 
 
 
 
Reichen Worte zungenschwer
und zögernd sich zu dir –
geplagt bin ich von Zweifeln,
sie widerfahren mir

täglich, stündlich, jederzeit,
spitz und schneidend scharf –
doch schweig ich still, mein Liebchen,
wenn ich dich küssen darf.

 
 
 
 
Erinnerung,
abgelegte Garnituren,
festgemacht, einsortiert –
klapp und ab –
diese Schublade öffne ich nicht gerne.
Rostfrei doch nicht frei:
brütet's. Fettablagerung
verschmolzener Gedanken, Emotionen,
solange verkehrt, vergessen, neu verkettet,
bis es sie auszupacken lohnt.
Erinnerung, bequemer Sessel,
in dem zu ruhen freudig stimmt,
Staubfang vergangener Wahrheit,
die sich das Leben nimmt.
 
 
 
 
Angst als eine Negation der Freiheit.
Man hat ihr Zaumzeig
und einen Maulkorb angelegt.
Für achtlos gefallene Worte stehn
Entschuldigungen bereit.
Auch Gedanken verstecken
sich im Schatten der Angst.
Wir verzerren uns,
und die strenge Gerte klatscht und peitscht,
und ein strammer Zügel bändigt
den unruhigen Gaul
kurz vorm Durchgehen.
 
 
 
 
Trennung,
nur ein kaum verhaltnes
Abschiednehmen und ein kaltes
Vorübergehn im Windmantel der Zeit.

Trennung,
ein sich Überleben
in Gedanken und darin
ein sich von neuem Geben
in schon verlorner Wirklichkeit.

Trennung,
abends mit ihr liegen,
die grausam mit der Einsamkeit
Hoffnung, Traum und Wahrheit bricht
und fordert und erlischt
und mit der Sehnsucht schreit.