– h o t )-( s p o t –

Die Libelle
1999 II

©opyright Iris Hoth

 

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An die Jugend

Da warst du siebzehn und sehr jung,
und jedes Glück und jedes Leid
besaß dein Herz und wandelte es um,
einmal gingst du schwarz,
dann im Hochzeitskleid.

Schwarz, die tiefste Schwärze
umfing dich, und ein nicht gegebner Kuss
ließ Hunde bellen,
ließ Orkane toben
in deinem Herz aus Eisenguss.

Der Frühling spross und lieblich
recktest du die Knopse
junger Hoffnung, und die Tür, verrammt,
stieß eine Lichtbö auf
und beschien dein Herz aus Samt.

Wir gingen feiern, welch ein Spaß!
Turtelten auf Sternenwogen...
Dann kam der Tag, du warst betrogen,
und mit einem leisen Klirren
zerbrach dein Herz aus Glas.

Du befragtest Dichter, Denker,
und Gott beflehtest du
um Einmal glücklich sein!
Doch sie beschieden dir:
Das Herz kommt lange nicht zur Ruh.

 
 
 
 
Der Rotzfähnrich

Gestern noch Trommler,
trommelnd an die Lymph.
Aber heute schon – Sieg! –
Feldherr im rauhen Hals!

Und der dumme Wirt
rätselt, wer ich bin.
Ihm ist heiß, und ihm ist kalt.
Ohooo, na ja, aha (feixt),
Was soll ich sagen? Ich bin's halt!

Gestern noch Fahnenträger,
die Kompanie im Gefolge.
Heute schon Fähnrich,
Schütze und Schläger,
bazillenschleudernder Moloch.

Den kenn ich doch!
denkt sich der Wirt
und setzt ihm Glühwein vor's Gesicht.
Oh oh, aber nicht doch, pfui!
So wetteten wir doch nicht!

Eben war's nur die Nase,
doch gleich das ganze schleimhäutige Land
setz ich unter Wasser, setz ich in Brand.
Wart's nur ab!

Derweil hat der Wirt ihn völlig erkannt.
Verdammt, der hat mir grad noch gefehlt!
denkt er und sinnt auf Rache
an dem Rotz, der ihn quält.

Zuerst wird der Drache gelähmt –
ein Whisky, ein Bourbon, ein Gin.
Anschließend wird er gezähmt
und dann – antibiotisch vernichtet!

Der Rotz hat sich derweil verdichtet.
Heute gehört mir der Wirt,
morgen schon seine Sippe.
Heut mach ich Herpes auf der Lippe
und morgen – was für ein Fest! –
befalle ich das Gerippe!

Dem muss doch beizukommen sein!
Wär doch gelacht, na warte!
Jetzt reib ich dich ätherisch ein,
Öl auf meine Schwarte!

Ungemütlich ist das hier,
der Wirt – ich riech den Braten –
dieser feige Hund
schwächt meine Soldaten.

Das wär kein rechter Krieger,
der jetzt den Schwanz einklemmt.
Deshalb völlig ungehemmt
hetze ich den Tiger
dir ins Gedärm.

Oh, dieser miserable Wicht!
Rotz und röchelnd Lärm.
Jetzt kriegst du Saures, das magst du nicht,
und wenn's Ascorbin nicht tut,
dann kriegst du halt Arsen.

Noch einmal Angriff, nochmals Mut,
sieh die Fahnen wehn.
Das Heer verreckt, im Land herrscht Not,
Wirt und Fähnrich...
beide tot.

 
 
 
 
Die Libelle

Ich esse meist den Teig
lieber als den Kuchen.
Und meine Kleider trag ich
gerne links gewendet.
Ich schreib den Brief, jedoch
lass ihn unvollendet.
Und wer ein saubres Handtuch braucht,
bei mir muss er es suchen.
Ich bin bequem, meistens phlegmatisch,
und nur äußerst selten
findet jemand mich sympathisch.
Vielleicht ist es auch nur der Schmutz,
der die Leute kränkt,
der bröckelnde und lose Putz,
an dem ein Rest Tapete hängt.
Dabei hab ich dieses Jahr
mich eindeutig verbessert:
Schon zweimal schrubbte ich das Bad,
und auch den Boden hab ich
zweimal schon gewässert.

Da haben Leute einen Plan
erstellt und ausgeklügelt
an der Ordnungsfront, dabei
wärmt doch dieser Mantel
hervorragend auch ungebügelt.
Meine Pflanzen stehn in Hydro
und gedeihen prächtig.
Mein Vogel singt und hält Kritik
an mir für unberechtigt.
Und ich weiß auch nicht, was es soll,
Räumen, Putzen bringt doch nichts.
So unnütz als polierte man
die Kehrseite des Lichts.

Ach schau nur, wie die Wolken ziehn
über sommerliches Blau,
wie die Blätter leuchtend grün
bunte Kelche rahmen.
Aus ihnen trinkt
die freingliedrige Libelle.

 
 
 
 
Als die eitlen Büsten grüßten
und die stolzen Statuetten
an ihnen hingen wie die Kletten,
da – unter all den Geistgewitzten –
fand ich einen Holzgeschnitzten.
Und all der dummen Zünderei,
die keinen Stein je schmolz
und nie vom schönen Konterfei
den Hochmut scheuchte und den Stolz,
ließ ich gerne ihren Lauf.
Denn Jener! ging in Flammen auf.
 
 
 
 
weg-weisend

Du warst es doch, die Macht besaß
und wie die Stundenkette
sie durch die Finger gleiten ließ.

Du warst es doch, das goldne Maß,
das jeder einzuhalten hätte,
der je auf deine Zeilen stieß.

Du warst es doch, die in mir saß
wie Grünspan auf den Knochen,
wie ein Egel im Genick,

der meine Gedanken fraß...
Als hätten Wünsche Blut gerochen
auf der Spur zum nächsten Kick.

Du warst es, die ich wirklich las,
fast dein ganzes Alphabet.
Das Jahr, das ich für dich vergaß,
verging so, wie ein Tag vergeht.

Du warst die Nacht, die fortbesteht.

Du warst es, die die Macht besaß,
die mich lieben, hassen hieß.
Doch als das Leben war wie Glas,
Wunden stechend im Verlies,

war ich es, die den Weg dir wies.

 
 
 
 
Das ist nicht schwer, schau her –
das ist die Biosphäre,
von der scheuen Wimper
bis zum kleinen Zeh
dehnt die lange Vene.

Doch weiter im Geklimper...

Fass an, nicht hier –
das tut so wohlig weh.
Das ist, wie wenn ich Glut vermehre,
und das Stöckchen spielt den Ton
auf der bangen Sehne.

So einfach ist die Lehre...

Gib her, gib mehr davon –
überquellend Sinnlichkeit
Wirst sieglos siegen,
fuglos in der Zeit,
die ich ins Endlos dehne.

Wolln wir den Himmel biegen?