barrierefreie Version dieser Seite

Das Opfer

(c)opyright marielle, 8. Oktober 1999

Hinter den bühnen
Lauert es
Seinem auftritt entgegen,
Ein trümmerndes wesen
In vorhängen

-Kulissenspiel-

Zwischen den stoffen
Wuchern hände,
Verhöhnen
Ihr stummes publikum

-Wiederholung-

Neblige lichter
Und gurgelnde rufe
Schreie in pappmaché
Auftritt: Tod
Dann ein abgang

-Szenenwechsel-

Mein Schlüssel klirrt.


Anklage

Themenlyrik "Farben"
(c)opyright marielle 1999
Farbenkind,
noch eine Woche gnade ich dir zu:

Dann möchte ich dein Gelb
hier nicht mehr sehen,
jene strahlende Geschwätzigkeit
war mir immer zuwider.

Dann möchte ich auch dein Blau
nicht mehr hören,
all dieses Rauschen, Säuseln, Wimmern
ist mir reine Zeitversäumnis.

Dann möchte ich dein Grün
hier nicht mehr schmecken,
deine blühende Naturvermählung
- mir die bloße Last.

Und dein Rot...
will ich...
nicht mehr...

Meine Kläger wachen
noch in dieser Nacht.
Ich wählte Schwarz,
erkennst du mich?


Aussicht

Themengedichte "Berge"
(c)opyright marielle 1999
mir scheint es so:
ein leichentuch
umfangen von pudrigem golde
hier und dort
grünlich zerrissen
wässrig durchweicht

dann
ein blick:
die welt liegt im gebet.


Erstes     (leise.)

(c)opyright marielle, 23. September 1999
Es scheint so seltsam:
ein Blatt trennt vom Gefährten sich
feinäderig durchsäumt
es windet
weigert, grünelt
umreigt noch schlicht den Wärter
durchschneidet Wind und Stille
doch rührt es nie...
nun stürzt es
stolzes Liegen in Distanz
dann Ruhe.

ich sage nicht
′ich liebe dich′
ich weiß
ich bin verloren.


Zweites     (laut.)

(c)opyright marielle, 24. September 1999
"Ersehntes Opfer, Schöne:
mit Schmerzen sah ich,
wie die Götter dich hinterließen
- unfertig!
zu treuen Händen deinem Meister;
dem Künstler anbefohlen.

So sind wohl
deine Lider eine Spur zu blass
deinem Kinn noch fehlt
der Hauch des Willens
deine Lippen
deine Wangen
deine...
(nicht doch!)

Ich treibe es zur Perfektion
vollende dich
mein Moment
mein Thron
mein Publikum!
Vor jenen Gestalten also,
verehrte Hülle,
lasse ich dich bersten
triumphal.

Möge ein anderer
deine Knochen sammeln."


Drittes     (verstummt.)

(c)opyright marielle, 27. Septmeber 1999
ich erinnere mich
gestern noch
schlief dein glanz
auf meiner wimper
und jedes deiner worte
umsegnete die nacht

ich erinnere mich
zuvor noch
spiegelte dein schriftzug
auf meinem haupte
und jedes deiner wunder
mir ein federmeer

ich erinnere mich
flüsternd noch

ich weiß
schon heute
siecht dein blick
im totenkleide
und jeder gedanke
seufzt erinnerung

Schnee in meinen Händen.


DER DENKER

(Shyl gewidmet)
(c)opyright marielle, 17.05.99
Ich saß, ich sitzt, ich saßte
der himmel war so blau
ich maß, ich messt, ich maßte
mir war doch heut sehr schlau.

Ich denk, ich dacht, ich denkte
und wunderte mich sehr
ich dank und dächt, ich schwenkte
ich dachte immer mehr!

Ich wunder, wundert, wender
noch war es nicht genug
durch land und lande, länder
warum bin ich so klug?

Ich weiß, ich wisst, ich weißte
wie mir die weisheit weint
ich miss, vermisst, ich meißte
dass niemandem dies scheint!!


Der Kluge

(c)opyright marielle, 14. Juni 1999
Es sagte einst der Kluge:
"Mir ist es nicht genuge;
denn wie es mir gefällt,
so zeigt sich nie die Welt!

Was, wär ich nicht gebissen,
allein von großem Wissen
erschien der Tag mir fad,
denn einzig meine Art

und Weise zu genießen
wie, meine Schläue zu begießen
- ganz ehrlich, liebe Leut′ -
erweckt in mir noch Freud.

Ist es doch höchst selten,
will man als schlau hier gelten,
müsste ich doch weichen
allein vor meinesgleichen."


Entsagung

(c)opyright marielle, 6. Juni 1999
errichtete himmel fallen
götter stürzen
(aufgeschlagene köpfe)

und ich ohne waffen

süße entlassung
aus gerissener wimper
demütigung
meine klamme perfektion
zitierte trauer

trümmerlos entsage ich
dir.


Vergessen

(c)opyright marielle, 4. Oktober 1999
Ich misse dich.
(je Zeit, je mehr)
Kein Stunden, Ticken
Denn so sehr
Ich wissentlich
(je Zeit, je Sinn)
Dir zugedacht
Von Anbeginn
So willenlos
(je Schmerz, je mehr)
So willenlos
Und nunmehr leer
Mein Streben noch.
(je Zeit, je Schmerz)
Die Glocke schallt
Mir himmelwärts.

der himmel weint nicht
vergaß ich zu sagen


Gefängnis

(c)opyright marielle, 21. Juli 1999
heute sperrte Ich dich ein
verschultertes kind
mädchen
deiner lästigen gegenwart
überdrüssig

brach jemand seinen stolz
glanzloses wesen
dich zu wahren
dir zu singen
frönen?

so verwese nun
unglückliche
in Meinem gewölbe

Segen.


Gott

(c)opyright marielle, 25. Juni 1999
gestern noch sah ich,
oh schimmerndes kind,
dein haar
sternenbenetzt
als sei nicht der wind,
dein staubiger bruder,
hinübergefahren

bitterleicht

Ein Leiden beginnt.


Und

(c)opyright marielle, 27. Oktober 1999
und plötzlich
perlt ein Stein aus deinem auge
und ich frage noch
doch schon zerschellt er
am blick
aus meinem auge


Medea

(c)opyright marielle, 14. September 1999
leise, stummend
liegt auf den Gräsern noch
der Unschuld Trieb

aber wo schwebst du
dein nachtumwobener Körper
wohlgestimmter haut

zuckend sprechen Bäume wohl
dies letzte Gebet
harren dem schwesterlichen Atem
und lüstern liegt die Erde
der Spur verfallen
in mächtiger Zufälligkeit

sprich Heilung dem Moment,
Herrin der Besiegten.


Musik

(c)opyright marielle, 25. Juni 1999
Rauschverzückte Himmel kreuzen
Das schimmerhafte Werk,
Wo nachtumspielte Schläge
Ihrem Rhythmus opfern.
In gleißendfrommer Einigkeit
Erscheint sich heut die Welt.

mein finger sehnt
mein kopf zerbricht

und könnte
ich
bestehen
ein einziges mal
vor deiner träume wirklichkeit

um wie viel erfahrener
müsste ich
von sonnen sprechen.


Nachruf

(c)opyright marielle, 30. August 1999
und wenn ich rufe
kann ich mich nicht mehr hören
jedes Geräusch nahmst du
mit dir

und wenn ich kranke
kann ich mich nicht mehr spüren
meinen Körper nahmst du
mit dir
zu deiner Gesundung

und wenn ich sehe
kann ich nicht mehr erkennen
jeden Umriss nahmst du
mit dir

und wenn ich es recht bedenke
bin ich nicht länger
Herrscher meiner Sinne
denn der Sinn verging
mit dieser Gewissheit


Scherbe

(c)opyright marielle, 29. August 1999
tiefer, weicher
Spiel um Spiel
verletzt der wirt sein haus
klebrig fesselnd
fällt
und
fällt
sein erster stand
denn dämme brechen
Stein um Stein
verbluten

seine wärme.

glasige verführung
schmeichelnd, fordernd
Schnitt auf Schnitt
doch kalt
so viel näher
gilt die tiefe
sprudelnd
springend
heiße ruh′
Wahn in Wahn
glüht sie noch morgen

meine eigenmacht.


Rechnung

(c)opyright marielle, 8. Oktober 1999
Lehr′ mich Glück.
Ich vergaß zu wissen,
bedachte doch das Denken!

Lehr′ mich Glück
und Einsamkeit zu missen,
die Führung stetig lenken.

Lehr′ mich Glück
in Klugheit zu verdummen;
verlose mir den Tag.

Lehr′ mich Glück
und herzliches Verstummen;
summe den Betrag.
So rechne dann zurück:
Lehre mich das Glück
(noch bin ich weise).


Erkenntnis

(c)opyright marielle, 30. Juni 1999
einsames wesen,
federnes haar
entsprungen der stille
wird dir nun gewahr:

wankende mächte,
hilfloses band
von ruhe vergessen
dem kreise entbrannt

scheuende nähe,
offene scham
mit worten betrieben
in eigensucht lahm

klingende schwüre
brechendes rund
gefangen im blicke
in scheinbarem bund.


Lyrik von marielle