Drei Konstanten
©opyright Iris Hoth, 1998

Dieser Text – ebenso wie die "Ermittlungen" – entstand als einer von vielen, die 1998 in der Newsgroup de.etc.schreiben.prosa (damals noch de.alt.geschichten) die Originalstory "Cherchez la femme" von Hans Kapeller variierten. Aus urheberrechtlichen Gründen kann ich den Originaltext hier leider nicht anbieten, er (oder eine spätere Version davon) ist jedoch derzeit (11/01) noch zu finden unter: Kap's "Cherchez la femme"

Franko lehnte sich erschöpft an die Zellenwand. Er wußte nicht mehr, wann es damit angefangen hatte. Er wußte nicht einmal mehr, ob es überhaupt jemals etwas anderes gegeben hatte. Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft - für ihn waren sie alle nur ein Abbild des jeweils anderen. Sein Leben pendelte zwischen drei Konstanten: Ritas Schoß, dem Bruch in der alten Fabrik und der Zellenwand. Gleich würde es dämmern, und dann begann es von Neuem.

Franko saß im Fond des Wagens, neben ihm - wer wohl? - saß Rita. Immer saß Franko im Fond, und immer saß Rita neben ihm. Sie lächelte ihn an. Gleich würde sie ihm die Hand auf den Schenkel legen - sie tat es - dann den Reißverschluß seiner Jeans aufnesteln und seinen willenlosen Schwanz in die Parade zwingen. Irgendwann einmal hatte ihm das gefallen, hatte der Duft ihrer Möse ihn halb verrückt gemacht... früher. Heute langweilte ihn die Vorhersehbarkeit. Jeder Blick, jedes Hinlangen, da war nichts, was es nicht schon gegeben hatte, jeden Tag und immer wieder. Er war gerade erst zwanzig und sein Leben schon so ausgewrungen wie ein alter Lumpen nach dem einhundertsiebenundachtzigsten Waschgang. Aber er war zwanzig, und Rita neben ihm hatte Titten wie mit Warmwasser gefüllte Ballons mit einer kecken Spitze, und Frankos Schwanz wußte nichts von seiner Langeweile und ging in Habachtstellung.

Vorne philosophierten Charly und Hank über den Halbwert des Lebens. Gebrauchte Klamotten, gebrauchte Autos, gebrauchte Frauen.
"Ist der Tip auch sicher?" fragte Charly.
"Todsicher!"
Franko wußte es. Sie würden die Schließfaecher in der alten Fabrik aufwuchten und nicht die halbe Beute machen von dem, was sie sich versprochen hatten. Und auf dem Rückweg, sie wären noch am diskutieren und zänken, wie sie die Kohle verprassen könnten, würden sie in die Strassensperre fahrn. Aus der Traum vom lockeren Leben.

Plötzlich ging Charly in die Eisen. Sein Fluch ging im Reifenquietschen der Vollbremsung fast unter.
"Wo kommt der Scheiß Köter her?!"
Von unten schlug es hart gegen den Wagen. Durch die Bremsung wurde Rita vehement nach vorne geschleudert, Franko hatte ihre Möpse um die Ohren und war unverrückbar zwischen ihren Beinen und der Rücklehne eingekeilt. Im gleichen Moment erlebte Rita einen orgiastischen Höhepunkt, so tief hatte sie ihn noch nie gefühlt..
Franko lachte.

Charly und Hank waren schon aus dem Wagen gesprungen. Franko hörte mehrere Schüsse. Silvester, richtig, es war ja Silvester. Er befreite sich aus Ritas Schere und stieg ebenfalls aus. Und blickte geradewegs in die Mündung einer Kanone. Lauffeuer - jetzt endlich würde es enden - Franko spürte, wie die Kugel einen Tunnel in seinen Schädel pustete. Jetzt, jetzt....

Aus der Ferne knallte es. Franko kniff mühsam die Augen auf und zu. Schüsse? Ach ja, richtig, es war ja Silvester - und lehnte sich erschöpft an die Zellenwand. Er wußte nicht mehr, wann es damit angefangen hatte, oder ob es überhaupt jemals etwas anderes gegeben hatte. Sein Leben kam ihm vor wie ein schlechter Roman. Nein, kein Roman - in einem Roman lebten die Figuren - wie eine Kurzgeschichte. Die gleiche Kurzgeschichte, einhundertsiebenundachtzig mal geschrieben. Frankos Leben pendelte zwischen drei Konstanten: Ritas Schoß, dem Bruch in der alten Fabrik und der Zellenwand. Gleich würde es dämmern, und es begann von Neuem.


 
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