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T i s c h g e b e t

Drama in einem Akt

(c) 1999 Michael Heinisch
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Eine rustikal eingerichtete Wohnküche. Der Tisch ist gedeckt. Der Vater, ein hagerer, hochaufgeschossener Mann von Mitte 30 sitzt in gebeugter Haltung bereits am Tisch. Die Mutter, ebenfalls hager, mit einem Jogging-Anzug bekleidet steht am Herd. Sie schöpft Knödel aus einem Topf in eine Schüssel. Der 7-jährige Sohn Joschka und die 5-jährige Tochter Sarah setzen sich ebenfalls. Die 3-jährige Tochter Lena spielt im Wohnzimmer.

Joschka: Mama, warum sterben Menschen, wenn sie alt sind?
Mutter: Dann funktioniert das Herz nicht mehr so und geht irgendwann kaputt.
Joschka: Aber warum funktioniert das Herz nicht mehr, wenn man alt wird?
Mutter: Das ist wie mit einem Pulli. Wenn du ihn oft trägst und schon lange hast, kriegt er Löcher.
Joschka: Aber ein Herz kriegt doch keine Löcher, wenns alt wird.
Mutter: Ach Joschi, frag Papa, der ist Arzt, der kann dir das genauer erklären.
Vater: Ach ja? Ne ne. Mach das mal selbst. LENA, kommst du jetzt, das Essen ist fertig.
Lena: Gleich mal.
Sarah: Ich mag neben Papa sitzen.
Joschka: Und ich mag neben Mama sitzen.
Sarah: Ich mag neben Papa sitzen und Joschi neben Mama.
Vater: Ok, dann tauscht ihr beiden halt.
Joschka: Deinen Teller. Nimm deinen Teller mit.

Joschka und Sarah tauschen den Platz.
Lena kommt aus dem Wohnzimmer und klettert auf ihren Stuhl.

Lena: Ich muß dir was sagen, Mama.
Mutter: Ja?
Vater: Nicht die Füße auf den Tisch, Lena.
Lena: Mama, ich will eine Schoko.
Mutter: Doch nicht jetzt. Jetzt wird erst mal hier gegessen.
Lena: Ich will eine Schoko.
Mutter: Jetzt nicht, Lena. Wenn du gut gegessen hast, kannst du nachher noch was haben.
Lena: Papa, ich will auf deinen Schoß.

Sie klettert von ihrem Stuhl und geht zum Vater. Mutter stellt die Schüssel mit Knödeln auf den Tisch, geht zum Herd zurück und holt einen Schweinebraten raus.

Vater: Nein, Lena, geh mal auf deinen Platz
Lena: Nein.
Vater: Doch. Ich mag alleine sitzen jetzt.
Lena: Nein.
Vater: Doch.
Lena: Nein.
Vater: Och, guck mal, da ist ja schon ein leckeres Stück Knödel auf deinem Teller.
Lena: Nein.
Vater: Geh bitte auf deinen Platz.
Lena: Ich will bei dir essen.
Vater: Ich will jetzt allein und in Ruhe essen und du gehst jetzt auf deinen Platz.
Lena: Ich will bei dir essen, bitte.
Vater: Nein.
Lena: Doch.
Vater: Nein.
Lena: Doch.
Vater: Herrschaftszeiten, jetzt fang nicht an beim Essen so ein Theater zu machen. Nein hab ich gesagt.
Lena: Uäääh...
Vater: Dann kommst du auf dein Zimmer. Ich will jetzt in Ruhe essen.
Lena: Uäääh...
Vater: Vielleicht nachher, wenn ich gegessen hab, aber jetzt will ich in Ruhe essen.
Lena: Uäääh..., biiiette.
Vater: Lena, jetzt nicht.
Lena: Dooooch, uäääh...
Vater: So, jetzt kommst du hoch.

Der Vater steht auf und bückt sich runter.

Lena: Neeein. Neein. Nein. Warte, ich muß dir was sagen.
Vater: Ok, was willst du mir sagen?
Lena: Ich will was zu trinken.
Vater: Ok, ich hol dir was.

Der Vater steht auf, holt eine Flasche Apfelsaft und schüttet Lena etwas in ihren Becher. Lena geht zurück zu ihrem Stuhl und klettert drauf.

Sarah: Ist die Seite links?
Vater: Ja.
Sarah: Mein linker Fuß tut weh. Und mein linkes Bein. Äh, der Fuß nicht, aber das Bein. Darum kann ich nicht laufen.
Vater: Ach, ach, ach.
Lena: Ist das der rechte Fuß oder der linke Fuß?
Vater: Der linke.
Lena: Und der?
Vater: Der rechte. Aber tu die Füße vom Tisch.

Die Mutter stellt den Schweinebraten auf den Tisch und setzt sich.

Joschka: Gell Papa, das ist die rechte Hand?
Vater: Frag doch nicht, überleg doch mal. Mit welcher Hand schreibst du?
Joschka: Hab ich doch. Und das ist die rechte Hand.
Lena: Papa, ich schreib mit der Hand.
Vater: Aha, du bist also Linkshänder.
Sarah: Welche Hand ist bei denen rechts?
Vater: Wenn du dich umdrehst ist die gleiche Hand rechts, aber sie ist auf der anderen Seite.
Sarah: Nein.
Lena: Ich schreib mit die, Papa.
Sarah: Einmal hab ich mit der linken Hand gut gemalt.
Mutter: Micha, kannst du noch die Soße holen?

Der Vater steht auf und holt die Soße.

Lena: Mama, du hast versprochen, nach dem Essen darf ich Schoko.
Joschka: Meine Lippen sind trocken. Das ist schon das fünfte Mal heut, daß meine Lippen trocken sind.
Mutter: Ich hab sie doch vorhin eingeschmiert.
Lena: Mama, nach dem Essen darf ich eine Schoko. Das ist ein Lippenstift.
Joschka: Ne.
Lena: Doch.
Joschka: Das ist kein Lippenstift.
Lena: Gell Mama, des ist ein gelber Lippenstift.
Mutter: Das ist eine Lippenpflege.
Joschka: Gell, da hat ich recht?
Sarah: Papa, des ist die rechte Hand?
Vater: Jetzt laß mal die Hand. Das hast du jetzt schon ein paar mal gefragt.
Lena: Mein rechter Fuß tut weh.
Vater: Aha.
Joschka: Ich krieg des nicht mehr rein.
Mutter: Ooh. Das darfst du doch nicht so weit rausdrehen.
Joschka: Das geht einfach nicht mehr zum reinstecken.
Mutter: Das darfst du nur so weit rausdrehen, das du die Lippen anstreichen kannst. Gib mal her, ich kriegs wieder rein.
Joschka: Ich hab Durst.
Vater: Ja.
Lena: Halt. Da ist ein Messer runtergefallen. Vom Papa.
Vater: Ja.
Lena: Papa, Papa. Ich geb dir ein Messer.
Vater: Ja, danke.
Sarah: Kannst du mir was abschneiden?
Vater: Ja.
Sarah: Aber mit wenig Fett.
Lena: Zugucken, zugucken. Hoppala. Mama, da ist der Deckel runtergefallen.
Mutter: Ja.
Joschka: Das ist so trocken. Kann ich das eintunken?
Mutter: Wart noch einen Moment. Ich mach dir gleich Soße drauf.
Lena: Ich brauch ein Messer. Schneidst du mir was ab.
Joschka: Du hast ja viel.
Vater: Ja.
Joschka: Das ist nicht fair.
Sarah: Was heißt zart?
Vater: Hm.
Sarah: Heißt zart gut?
Vater: Genau.
Joschka: Tust du mir Soße rein?
Vater: Ja.
Mutter: Lena, willst du Soße?
Lena: Nein.
Vater: So, kommt, gebt eure Hände.
Lena: Ich hab schon geesst eins.
Vater: Ja.
Joschka: Bäh, das klebt.
Sarah: Papa, was steht da?
Vater: Possmann Apfelsaft. So, jetzt komm, Joschi.

Alle geben sich die Hand.

Alle: Piep, piep, piep, wir ham uns alle lieb. Jeder ist so viel er kann, nur nicht seinen Nebenmann. Piep, piep, piep, guten Appetit.

 

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