– h o t )-( s p o t –
©opyright Iris Hoth
 

Cthia und die "Beherrschung der Leidenschaft"

Dass unsere Verständnisprobleme der vulkanischen Spezies und Lebensweise zum großen Teil auf linguistschen Übersetzungsproblemen beruhen, habe ich bereits ausgeführt.

Zwei Übersetzungsfehler schüren das permanente Missverständnis hinsichtlich der vermeintlichen Gefühlslosigkeit der Vulkanier.

Da gibt es den Begriff Arie'mnu, der fälschlicherweise immer wieder mit "Mangel an Gefühl" übersetzt wird oder auch mit "Unterdrückung von Emotion". Richtig müsste man aber hier von der "Beherrschung der Leidenschaft" sprechen [dua02].
Wie funktioniert eine solche "Beherrschung der Leidenschaft"?... Das ist eigentlich ganz einfach: Sie funktioniert über die Verhaltenskontrolle. Der erste Schritt besteht darin, die "Leidenschaft" (darunter fallen für Vulkanier wohl alle Gefühle) wahrzunehmen. Der zweite Schritt besteht darin, zu tun, was die Vernunft gebietet... auch dann, wenn die Leidenschaft eine ganz andere Handlungsweise nahelegen mag. Ich sag's ja... ganz einfach. Oder etwa nicht?
McCoy – seinen Erfahrungen mit Spock folgend – vertritt allerdings die Ansicht, dass zumindest Spock seine Gefühle nicht beherrsche, sondern unterdrücke [bli01], und vielleicht – denn McCoy ist einer, der es eigentlich wirklich wissen muss – trifft das auf den "jungen Spock" auch tatsächlich zu.

Die zweite Fehlübersetzung betrifft den Begriff der Cthia. Sogar von Vulkaniern wird dieser Begriff oft als Logik übersetzt. Es gibt für ihn auf Standard keinen adäquaten Begriff, der den Bedeutungsinhalt wiedergeben könnte. Angeboten wird uns hier der ziemlich unscharfe Begriff "Realitätswahrheit". Darunter sollen wir uns vorstellen: die physikalischen als auch alle inneren Realitäten und ihren Wandel, und zwar unter Ausschluss persönlicher Perspektiven. [dua02]
Gemeint ist hiermit wohl die "Welt, wie sie wirklich ist".
Sollten Vulkanier tatsächlich in der Lage sein, die Welt zu sehen, wie sie wirklich ist, ohne eine subjektiv wahrnehmende Perspektive einzunehmen, so hätten sie den Menschen gewaltig etwas voraus. Die Menschen diskutieren mithin schließlich immer noch darüber, ob es das "Ding an sich" überhaupt gibt. Bzw. ob es überhaupt als solches wahrnehmbar ist. Beispielsweise einen Kuhfladen wird eine Schmeißfliege nicht nur sensorisch ganz anders wahrnehmen als ich, der Kuhfladen besitzt für die Schmeißfliege auch eine völlig andere, existentielle Bedeutung. Das heißt: Für mich und für die Schmeißfliege existiert der Kuhfladen jeweils anders. Und der Kuhfladen – Was juckt es ihn? – der stinkt bzw. duftet halt so vor sich hin.

"Wir haben auch Gefühle. Aber wir lassen sie nicht rationale Erkenntnisse und Urteile überlagern."

(Spock in "Die Macht der Krone" von Howard Weinstein [wei01])


"Hüte dich davor, von der irrigen Annahme auszugehen, den Vulkaniern fehlten Empfindungen. Unser Wesen zeichnet sich durch starke Emotionen aus, aber wir halten sie unter Kontrolle. Gefühle müssen beherrscht werden, denn sonst herrschen sie. Wer dies nicht versteht, dem sei geraten, sich an einen einsamen Ort zurückzuziehen, um zu meditieren."

(Meister Shimm in "Geiseln für den Frieden" von Margret Wonder Bonano [bon02])

Vielleicht können wir uns – weniger pingelig – darauf einigen, dass Cthia bedeutet, die Dinge zu betrachten unter Ausschluss persönlicher Motive, also ohne Erwägung des persönilchen Nutzens, den sie für den Betrachter haben oder haben könnten. Wenn Leidenschaft hingegen genau diese persönlichen Motive impliziert, dann haben wir hier eine philosophische Begründung für deren Beherrschung.

Der Begriff Cthia schließt außerdem (oder sogar prior) a'tha, die Präsenz des Anderen (Gottes), mit ein, die sich in den realen Erscheinungsformen der Welt manifestiert und damit auch in der Tätigkeit des logisch denkenden Verstandes [dua+mor01].

"Jede einzelne Handlung hat inhärente Bedeutungen, die das Gefüge des Universums verändern. Selbst die banalste Geste führt zu vielfältigen Aktionen und Reaktionen, bewirkt eine unüberschaubare Kettenreaktion von Ursache und Wirkung."


(T'Shael in "Geiseln für den Frieden von Margret Wonder Bonano [bon02])

Im Verlauf ihrer Geschichte haben die Vulkanier leidvolle Erfahrungen damit gesammelt, wohin ungezügelte Leidenschaft führt. Sie kennen das Prinzip von Ursache und Wirkung nur zu gut. Sie wissen, dass jede Aktion eine Reaktion bewirkt, und dass – in der letzten Konsequenz – das Universum zurückschlägt. Die geringste Ursache kann größte Wirkungen haben.

Terraner beziehen hierzu widersprüchlich Stellung, einmal mit dem großzügigen Statement:
  • Das ist so (nämlich überhaupt nicht) wichtig, wie wenn in China ein Sack Reis umfällt.
  • Und demgegenüber: Der Flügelschlag eines Schmetterlings auf Hawai kann einen Weltkrieg auslösen.
Beide Sichtweisen haben selbstverständlich ihre Berechtigung. Die Reichweite einer Ursache kann man sich vielleicht vorstellen wie die Ringe, die ein ins Wasser geworfener Stein verursacht. Vom Zentrum nach außen hin wird der Radius immer größer, die Welle jedoch immer niedriger, bis sie sich schließlich ganz verliert. Nun kann aber auf dem Weg zur Wirkungsperipherie die Welle ein neues Ereignis anstoßen, das seinerseits Kreise auslöst und Ursache neuer Wirkungen ist. Und so weiter, und so fort...

Wie dem also auch sei: Vulkanier erachten jede Handlung als wichtig und als eine, die verantwortlich entschieden und umgesetzt werden muss.


lädt das Navigationsfenster, falls nicht geöffnet philosophische Konzepte
weitere philosophische Konzepte