logo

 

Aufgabenlyrik

Copyright Iris Hoth
zur Navigation zur Navigation

 

Die Gedichte der Rubrik Aufgabenlyrik sind entstanden nach vorgegebenen oder auch selbst erfundenen Aufgabenstellungen.
Mit Erfahrungen dazu, was Sprache "macht", und mithin der Vertiefung des eigenen Sprachgefühls dienten insbesondere die Gedichte (Die Gefangenen unten im Hof, Südwärts, Im Sonnenkegel), deren Aufgabenstellung in der Auslassung einer bestimmten Wortart bestand.

 

zum Seitenanfang

(Die Gefangenen unten im Hof...)

Die Entstehung dieses Gedichtes ist einer Anregung von Elvira Selow zu verdanken. Die Aufgabenstellung lautete, mindestens 30 Zeilen mit jeweils mindestens 6 Silben zu schreiben. Zudem durfte das Gedicht maximal 3 Adjektive enthalten.
Die Bedingungen habe ich insoweit verschärft, als ich es dem Gedicht abverlangte, gänzlich ohne Adjektive und Adverbien auszukommen.

Die Gefangenen unten im Hof
stehen zwischen Mauerwerk und Zaun.
Die Statisten der Nacht setzen
die Kapuzen auf und gehn,
und die Amsel träumt ein Lied.

Möchtest du, mein Geliebter,
noch etwas Schlaf oder schon Kaffee?
Warte, noch einmal sich schmiegen,
der Zeitmahner schenkt neun Minuten Frist,
eine Rutschbahn ist deine Haut.

Die Gefangenen unten im Hof
erblinden und bestaunen
das Lichtwerden des Tages.
Die Tram schläft noch, aber vom Rosenblatt
verdunstet schon der Tau.

Zwischen Papier und Telefon
eilen die Stunden, und die Träume haben frei.
Dort am Kiosk kaufe ich mir ein Gesicht
und in der Kantine einen Fisch.
Warte nur, mein Geliebter, bald!

Der Tag welkt, und es tropfen
Nachtschatten zwischen Mauerwerk und Zaun.
Die Straßen singen eine Abendmelodie,
und unten im Hof die Gefangenen
bilden eine Lichterkette.

Schau nur, mein Geliebter, sieh
im Himmel unser Spiegelbild.
Jetzt leuchten die Sterne auf deiner Haut,
und ich liebe dich bis zum Morgen
im Schein des Mondes und der Laternen im Hof.

Iris Hoth, 1999

 

zur Navigation

Für das folgende Gedicht dachte ich mir zur Abwechslung die Aufgabenstellung aus, es ohne Nomen zu schreiben... was sich übrigens als überaus schwierig erwies. Dafür wimmelt es in den Zeilen nun auch von Pronomen und Umschreibungen. Dieser Schwierigkeit hätte ich vielleicht mit einem verb-lastigen Gedicht ausweichen können. Vielleicht sollte ich mich an dieser Aufgabe also noch einmal versuchen :-).

südwärts

Heute verzichten die südwärts fliehen
darauf, sich zu verkleiden.
Tirilieren und verweilen nicht,
tausendscharig verdunkeln sie,
als sie majestätisch ziehen
jenen, der perlmutterfarben
würdig schweigt.

Ach könnte einer
mit ihnen reisen, winterlos und warm
hier wie dort beheimatet sein.
Was gäbe er dafür,
nicht grau erblindet, sondern sonnenfroh
jene zu lieben, die alles drehend
sich so vollkommen zeigt.

Iris Hoth, 1999

 

zum Seitenanfang

Aufgabenstellung zu dem folgenden Gedicht: einfach Mundart, hier: Rheinhessisch.
Ich danke meiner Mutter für die telekommunikative Hilfestellung hinsichtlich diverser Begriffe und der Aussprache. Die Schreibweise ist derselben so gut es geht nachempfunden.

Meisgepischper

Wer kimmt do so spät ham allewei
un schleicht sich dorch die Scheier?
Die Mudder guckt - halb zwelf vorbei,
un's is ihr net geheier.

"Jakob, horch emoo, mach leis!
Heerste net wie's rumbelt?"
De Vadder juckts net, was do humbelt.
"Maria, des sin nor die Meis."

De Mudder lässt des doch ko Ruh,
se schleicht uff leise Zeje
aus de Dür, mit Gott per Du,
do sieht se oner steje.

Es Käppche in die Stirn gezoh
steht do die Gestalt
vor de Kammer. Was macht die do?
De Mudder werd ganz kalt.

En Borsch is des do, ganz gewiss
zu so späder Stunn
beim Gretche, des kimmt dodevun,
weil's e babbisch Gutsje is.

Un Hoar hot es wie Seid, un's singt
wie die Loreley.
Des derft kon Mann net sei,
der do net druff springt.

De Scheerhoge is schnell geholt,
oder do de Bengel
domit kräftisch druffgesohlt
vorm Gretche seiner Dür dem Schlingel.

Net zimberlisch mit ihre Schlae,
dem Kerl, dem werd ses zeie,
do heert ses plötzlich schreie
"Mama, net! Des dut doch weh."

Die Mudder stockt, un's friert ihrs Blut,
un unnerm Käppche kimmt evor,
bleich siehts aus un gar net gut,
es Gretche mit abbene Hoar.

Es hätt sich doch net ham gewaacht,
seets un is am flenne.
So hässlich wärn die Hoar gemacht,
die Mudder sollt net schenne.

Ins Schlofzimmer serick ganz leis,
de Vadder brauch des gar net wisse.
Do freet er, rührt sich in de Kisse.
"Ach Jakob, schlof, s'warn nor die Meis."

Iris Hoth, 1999

 

zur Navigation

(Im Sonnenkegel...)

Das dritte Gedicht in der "Ohne-Reihe". Diesmal: Ohne Verben.
Die Anforderung, die ich darüber hinaus stellte, war: Trotz des Verzichts auf Verben sollte das Gedicht nicht starr oder statisch wirken.

Im Sonnenkegel ein Tanz,
silberfädig Staub.

Und wiederum Gesang
von den Bänken, von der Empore.
Und der Orgelklang
im Gefirst mit den Schwalben.

Irrlichtend ein Glanz
auf dem Gebinde aus herbstlichem Laub.

Wie Zeitvergießen,
wie Triumph und Untergang,
das Lied der Pfeifenriesen.
Und wieder Gesang.

Jetzt Staub und Silber vermählt
vorm wittrigen altargestühl.

Mehr als ein Klang ein Gefühl
singender Hoffnung, ein Echo von Leid.
Mehr als Musik eine Welt
im domgroßen Umstandskleid.

Iris Hoth, 1999

 

zum Seitenanfang

(auf meinem tisch...)

Die Anregung zu diesem Gedicht lautete:
Schreibe ein Gedicht "vollkommen ohne eine zugrunde liegende Emotion. Ein Gedicht, aus dem jede Spur der Persönlichkeit [des Verfassers] entfernt ist".

auf meinem tisch steht ein buch.
auch ein radio, ein glas mit einem sortiment von stiften,
tasse und schale stehen da
und ein hölzerner kasten.

die taggönnerin, die fahle
wintersonne laicht karges licht.
wie's dümpelt und tümpelt
da zwischen den accessoires:
buch, glas mit stiften, tasse und schale
und dem hölzernen kasten.

das radio spuckt eine melodie.

nun aber das rollo der wolken,
da hört die herde zu äsen auf
und duckt sich ins grau.
stummlicht blindgewitter
verschluckt die jähe agonie

der dinge. buch und glas und stifte
tasse, schale ins vergessen
ins vergessen! wehrlos auch
aus dem radio das lied
und der kasten,

der hölzerne kasten schrie.

Iris Hoth, 1999

 

zur Navigation

Das folgende Gedicht sollte eigentlich gegen alle lyrischen Regeln verstoßen... was es nicht tut.
Es ist insofern, wie vielleicht auch in jeder anderen Hinsicht, ein Beispiel für ein ganz und gar misslungenes Gedicht :-).

Dissonanz am späten Nachmittag

Heute Mitterleben
steh ich am Balkon
und Vögel schrillen.
Die wo am lautesten
schallmeiern fallen aus dem Nest.
(jeder vogel ein hoch fliegender traum)
Tirili!
Erklär mir das.

Warum sie da auf dem Boden kauern
und's Herzchen dazu
und keine Ruhe
trotzdem nicht ist im Geäst.
(weil das ist wichtig)
Erklär mir das.

Ist ja mein Leben, Mitterlebensknalleffekt,
ist mein dünner Hühnerfuß,
der wo da wie ein Trauerhaken
im Strumpf schlumpft.
Ist ja mein Arsch im Laken,
den ich nicht hochbring und der wo mich wie
Flöhe im Nachthemd jucken.

Dem Pfau die Federn stehlen
wär gut.
Die kann ich mir dann an den Hut
stecken wie Ideale.
(ein bunter strauß tot gemachte)
Und dann quälen, dann spuken
sie nicht mehr?
Oh Sole rosso!
Versprich mir das.

Und dabei, ach, schade, schade,
hätt ich ja doch gern gewusst,
wie's ist. Soll heißen
(ich hätt den punk gern tanzen gesehn)
sein hätt können
mit Flower Power im grauen Dutt
gen Westen.
Holladiho!

Iris Hoth, 2000

 

zum Seitenanfang

Kleines Bänkellied

Die Aufgabe - aufgegriffen in der Newsgroup de.etc.schreiben.lyrik - ein Couplet zu schreiben, führte über assoziierte Wortähnlichkeiten zum Ziel.
Zu singen (und gesungen) auf die Melodie "Prinz Eugen, der edle Ritter".
Das zugehörige MP3 zum Lauschen, Größe 1057 KB

Zwischen all den jungen, alten,
inzuchtblöden Dorfgestalten,
auf denen die Sünde ruht,
leben Hinz und Kunz und
Kunz und Hinz, jedoch kein Prinz,
um zu tun, was ein jeder tut.

Warum auf den Einen warten,
um den sich dann die Weiber scharten,
die gesamte Jungfernbrut.
Dann doch lieber auf Rücksitzen
alter Autos Liebe schwitzen,
kopulieren, sei's aus Wut.

Eines Tages in dem zarten,
jungen Gras lag sie im Garten,
und es rauschte ihr das Blut.
Da hat sie, das eitle Luder
mit des Vaters Kegelbruder
kopuliert, ja, das tat gut.

Wer will denn Naturgewalten,
Glut auf kleine Flamme schalten?
Wer will eindämmen die Flut?
Während selbst der geile, feiste
Trottel, wenn auch arm im Geiste,
kopuliert und macht und tut.

Wer will Lust und Glück verwalten?
Wer will Leidenschaft denn spalten?
Was soll dieser alte Hut?
Lasst uns glücklich und verkommen,
wie gewonnen, so zerronnen,
kopuliern wie's uns geruht.

Mischt das Schicksal dann die Karten,
um das letzte Spiel zu starten,
und lockt schon der Hölle Glut,
kommt der alte Sensenschwinger,
wird sogar im Höllenzwinger
kopuliert mit frischem Mut.

Iris Hoth, 2000

 

zum Seitenanfang zum Seitenanfang

Navigation

 Info und Hilfe

 

vorherige Seite. nächste Seite

Ab hier folgen nur noch optische Hilfsmittel.

 

HOME barrierefrei. projekt literatur. inhaltsverzeichnis iris hoth lyrik
info und hilfe zu "barrierefrei". original-layout dieser seite

 

Einstellung von Vorder- und Hintergrund
erfordert Javascript und einen aktuellen Browser
positiv negativ
TIPP: Einstellung der HOME-Seite bleibt bei aktivierten Cookies auf allen Seiten erhalten.