Peter B. bricht aus der DeckungCopyright Iris Hoth, 2002zur Navigation
Wahrscheinlich ein junger Mensch. Aber so genau wissen wir es nicht. In dieser Nichtwelt der Schatten ist kein Verlass, am allerwenigsten auf die Wahrnehmung. Männlich? Die jungen Männer tragen die Haare lang, und junge Frauen gehen unterm Stoppelschnitt. Und unter diesen Schichten, Formen, Rollfleisch und Hasenpfote, nein... man kann sich nicht sicher sein. Es ist wie damals im Krieg. Sie haben den Frauen die Köpfe kahl rasiert. Die Männer hatten Dynamitstangen in der Hose. Der gerußte Bub ist ein Mädchen, aber die Schwangere ist ein Mann mit Schwarzmarktware unterm Hemd. "Nachts ist dein Leib von Gottes Fieber braun."(1) Anschein und Augenschein, Hand in Hand, schlendern, schlendern... "Führ mich in das Land, wo die gutmütigen Menschen leben."(2) Also gerüttelt. Also sowieso unvollständig und auch irgendwie verkehrt. "Ich möchte so gern Wesen begegnen, die anders sind."(2) Und also... Ein Buch. "Ich zog in den Wald, weil ich den Wunsch hatte, mit Überlegung zu leben, dem eigentlichen, wirklichen Leben näherzutreten, zu sehen, ob ich nicht lernen konnte, was es zu lehren hatte."(3) Ein Buch. "Das schlimmste kommt noch."(4) Ein Buch... ist schnell verschlungen. Mit einem Hirn wie ein Schwamm. Nur die Übung geht ihm ab, die Übung des Verstehens, des Merkens, aber er merkt trotzdem, auf merkt er: Kann es denn sein? Das leben kein "Lied in der Wüste"?(1) Das Leben, kein Manta, kein Schlagring? Titten keine Melonen, Kitzler keine Gummibärchen, der Schwanz kein Hammer, der Bauch kein Geschwulst aus Wut und Zorn? Er/er? kaut die Vernunft wie einen alten Knochen. "Tunkt ihr das Haupt ins heilignüchterne Wasser."(5) Ihr, ja ihr! Aber... Wie dem auch sei. Wie ein Pferdeapfel schlägt er auf dem Pflaster auf. Zeitgleich modern und ein Anachronismus. Legende einer Jugend, die sich schnell verbraucht. Sie war vielleicht nie ganz echt, nicht ganz wirklich, nicht ganz vorhanden, auch nicht ganz nicht. Jedenfalls halten wir uns die Nasen zu, weil es nämlich stinkt. Und wenn wir uns die Nase nicht zuhalten, dann rümpfen wir sie doch wenigstens. Und er/er? zählt ein paar Namen an den Fingern ab. Und wir verachten ihn dafür, weil er nämlich diese Namen gar nicht kennen dürfte. Weil er nämlich ein Pferdeapfel ist, bestenfalls ein Stück Moder, ein Abseits unserer Intelligenz, eine Beleidigung für jedes Wort, das er sich vom Kinn wischt, das er in die Nichtwelt unserer Schatten rotzt. "Die Mauern stehn Sprachlos und kalt, im Winde Klirren die Fahnen."(5) Aber wir frieren nicht. Denn Schatten frieren nicht. Wir stehen wie ein Schatten und wie eine Mauer und sind so gesichtslos wie das Eine und wie das Andere. Wir erwärmen uns an der Suppe unserer Ideen, und dann gehen wir, und vielleicht pissen wir in den Rinnstein. Und... Was soll überhaupt der ganze Scheiß?
(1) Paul Celan
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