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Julias Biotop

Von der räuberischen Libelle
Vom Bitterling und der gemeinen Teichmuschel


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Das kann ich nun wirklich nicht verantworten, dass ihr dumm versauert, weil ihr nix über Bitterlinge und die gemeine Teichmuschel wisst. Also dann macht es euch mal bequem. Ich fürchte, das wird 'ne etwas längere Geschichte. :-)

Irrwege der Natur

Vom Bitterling und der gemeinen Teichmuschel

Der Bitterling ist ein kleiner, unscheinbarer Teichfisch. Kaum größer als 3 bis 4 cm. Frau Bitterling ist in gedecktem Schlammbraun gehalten, was sie kaum vom Teichboden unterscheidet. Herr Bitterling muss natürlich wieder rumprotzen und hat hübsche rote Seitenstreifen. Aber das kennt man ja von den Herren der Schöpfung.

Die beiden werden im Frühjahr zusehends nervöser und wibbeliger. Zeit, über die Familienplanung nachzudenken. Und hier kommt die Teichmuschel ins Spiel. Herr und Frau Bitterling wissen nicht, warum das so ist. Frau Teichmuschel weiss es ebenso wenig. Und die Teichbesitzer wissen es noch weniger. Wissenschaftler haben höchstens eine Ahnung. Aber egal. Das Warum interessiert eh niemanden. Das Wie ist viel interessanter.

Die gemeine Teichmuschel sieht ein bisschen wie eine Miesmuschel aus, ist aber viel grösser. So um die 15 bis 20 cm. Ihre Aufgabe ist es, das Wasser zu filtern. Da ist sie unschlagbar, weil sie am Tag rund 1000 Liter durchschleusen kann. Manchmal gefällt ihr der Liegeplatz nicht mehr, dann öffnet sie sich und fährt ihren "Fuß" aus. Ihn näher zu beschreiben, würde ins Pornographische abdriften. Das Ding sieht aus, als wäre es kein Fuß, sondern ein riesiges Fortpflanzungsorgan. Aber trotz aller optischer Täuschung ist es nur ein Fuß, mit dem sie sich dann recht "flott" über den Teichgrund bewegen kann.

Indes entdeckt Frau Bitterling ein gesteigertes Interesse an den Teichmuscheln, was sie immer öfter veranlasst, sich in nächster Nähe aufzuhalten. Sie führt das einfach auf ihren Zustand zurück, denn sie ist in guter Hoffnung. Die Legeröhre für die winzigen Fischeier hat sich auch schon gebildet, also kann es nicht mehr lange dauern. Und wie sie sich die geöffnete Teichmuschel so beguckt, kommt ihr die geniale Idee, die winzigen Eier nicht einfach irgendwo abzulegen, wo sie garantiert von Getiers aller Art aufgefressen werden, sondern sie dem Schutz des Inneren der Muschel zu übergeben. Über diesen genialen Gedanken ist sie so glücklich, dass sie über der Muschel einen wilden Freudentanz aufführt.

Das ruft natürlich Herrn Bitterling auf den Plan, der sowieso schon ganz durch den Wind ist. Notgeil bis zum Gehtnichtmehr, aber seine Frau führt Tänzchen auf. Typisch! Sie tanzt aber nur solange, bis die Muschel sich weit genug geöffnet hat, damit sie sich kurz hineinschleichen kann, um schnell das Eigelege an die richtige Stelle zu platzieren. Und da platzt unserem Herrn Bitterling aber der Kragen. Er steht unter Strom, und sie vergnügt sich mit einer doofen Muschel. Ja, wo gibt's denn sowas? Das regt ihn derart auf, dass er nicht länger an sich halten kann. Ihm ist jetzt alles egal. Dann eben ein Solo. Und so kommt es, dass Herrn Bitterlings Beitrag zur Zeugung auf dem Wasserwege das Eigelege in der Muschel erreicht.

Auch gut. Das wäre also erledigt. Aber Bitterlings Frau sieht irgendwie ganz verändert aus. Schlanker natürlich, aber was hat sie denn da an ihrer Unterseite kleben? Er beäugt es, kann sich aber keinen Reim darauf machen. Es haften lauter kleine, dunkle Gebilde an seines Weibes Bäuchlein. Beide kommen überein, sich nicht weiter darum zu kümmern.
Das Grinsen der Muschel haben sie gar nicht bemerkt. Sie hat nur auf den Besuch des eischwangeren Fischleins gewartet, um ihre eigene Brut der nassen Welt zu übergeben. Ihr ist es nämlich viel zu anstrengend und zu wenig erfolgversprechend, auf dem Teichgrund irgendwann zufällig auf Herrn Teichmuschel zu stoßen, der dann auch noch zufällig in Stimmung sein muss. Die sind ja sowieso nie da, wo man sie braucht. Also überlässt sie das der Tante Bitterling. Die zieht mit den Kuckuckseiern ihre Kreise im Teich und trifft ständig auf Muschelherren, die gern Papa werden wollen. Die wundern sich zwar darüber, dass Bitterlingdamen plötzlich so eine ganz besondere Wirkung auf sie haben, aber das erfährt ja schließlich keiner. Also was soll's? Perverse gibt's überall. Frau Bitterling wundert sich im Gegenzug über die auffällige Trübung des Wassers, denkt sich aber weiter nichts dabei.

Und so vergehen schöne Frühlingsund Sommerwochen. Das Treiben im Teich geht seinem Höhepunkt entgegen. In einer lauen Nacht bringt dann die Muschelmama winzigkleine Bitterlinge zur Welt und ist froh, endlich wieder mehr Platz für sich selbst zu haben. Mutter Bitterling ist es auch allmählich leid, weil die kleinen Babymuscheln an ihrem Bauch doch irgendwie runterziehen. Erleichtert stellt sie fest, dass sie sich nun selbstständig machen, um sich schnell in irgendwelchen Spalten zu verstecken, denn man munkelt, dass es nicht nur freundlich gesonnene Teichbewohner geben soll. Man denke da nur an die  gefräßige Libellenlarve, die so winzige Teichmuscheln zum Dessert verspeist. Die Bitterlingbabies sind viel kleiner und fast unsichtbar, also haben sie keine Mühe, sich zu verbergen.

Und so schließt sich der Kreis. Herr und Frau Bitterling interessieren sich nicht mehr für Teichmuscheln und überlassen die Nachkommenschaft ihrem Schicksal. Frau Muschel hat auch nie wieder etwas von ihren Kindern gehört und würdigt Familie Bitterling keines Blickes mehr.

Der Sommer neigt sich langsam seinem Ende. Also raus mit dem Fuß und runter in die Tiefzone des Teiches. Der nächste Winter kommt bestimmt, und man will ja schließlich nicht mit Frostbeulen den Freuden des nächsten Frühlings entgegensehen.